Montag, 20. April 2015

Pläne sind dafür da, um sie zu ändern



Dienstag, 14.04.2015 – Tag 287

Von Vancouver aus ging es zurück ins Innere der Provinz British Columbia nach Kelowna. Dort hatte ich eigentlich nur geplant, eine Nacht zu verbringe, doch das blieb dann nicht so ganz dabei. Ich checkte erst einmal im Kelowna International Hostel ein welches einfach super schön ist. An den Wänden stehen allerhand schöne Sprüche und hier gibt es jeden Morgen kostenlose Pancakes, die man sich allerdings selber braten darf. Am ersten Abend machte ich mich auf den Weg zum See die Straße hinunter und habe dort einen Spaziergang gemacht. Der See ist wirklich riesig und es war sehr schön, die Sonne hinter den Bergen verschwinden zu sehen. Außerdem habe ich eine Eule gesichtet, bei der man in der Dämmerung jedoch nicht sagen konnte, ob sie echt war oder nicht.


Sonnenuntergang am Okanagan Lake
Zurück im Hostel habe ich meine Zimmergenossin für die Nacht kennengelernt, die einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen sollte. Ronda aus Texas hat mir ihre wirklich extreme Lebensgeschichte berichtet, obwohl sie mich kaum kannte und ist überzeugte Christin. So hat sie mir viel über Religion und Gott erzählt und wir saßen noch bis Mitternacht bei McDonalds und haben in der Bibel gelesen. Wahrscheinlich zum ersten Mal habe ich darin überhaupt etwas verstanden. Zwar war die Situation schon irgendwie etwas absurd und ich war nach der langen Autofahrt auch etwas sehr geschafft, aber solch interessante Abende erlebt man nur selten. Sehr interessant war auch einfach, dass ich gerade von der religiösen Farm gekommen bin und nun auf eine weitere überaus religiöse Person getroffen bin. Am Morgen machten wir zusammen noch einen kleinen Ausflug zum Knox Mountain, von wo wir eine atemberaubende Aussicht auf Kelowna, den Okanogan Lake und die darumliegenden Berge genießen konnten. Anschließend mussten wir uns schon verabschieden und ich entschied mich, doch ein wenig länger in der schönen Stadt zu bleiben. 

Aussicht von Mount Knox
Nun bin ich seit ungefähr einer Woche hier auf Arbeitssuche. Das stellt sich allerdings als schwieriger heraus als gedacht, da mein Visum nur noch drei Monate gültig ist und die Arbeitgeber lieber Leute einstellen, die länger bleiben können. Allerdings ist das Verteilen von Bewerbungen auch gar keine so schlechte Möglichkeit um den Stadtkern zu erkunden und die Promenade mit der kleinen Marina am See ist auch wirklich schön. Hier ist einfach mal die Hälfte der Leute mit einem Skateboard unterwegs und das ist unter anderem eine Sache, die der Stadt einfach diesen ungewöhnlichen und lässigen Flair gibt, ganz abgesehen von der Landschaft natürlich. Gestern habe ich einen Job auf einem Weinberg ausprobiert, musste allerdings nach drei Stunden aufgeben, da ich einfach zu fertig und die Arbeit für mich zu körperlich anstrengend war. Es ging quasi darum zwischen den unzähligen Reihen die Sträucher und Stöcker weg zu harken und das war alles Für acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche. Ich war nach den ersten fünf Minuten schon komplett erschöpft. Der eine Typ, der schon seit ein paar Monaten dabei ist, meinte, dies sei die anstrengendste Aufgabe von allen und wenn man das kann, kann man auch alles andere. Blöd war nur, dass diese Aufgabe, die nächste Zeit lang andauern wird und so wurde meine Motivation dadurch nicht wirklich größer. Es fiel mir wirklich nicht leicht so früh schon aufzugeben, aber es ging einfach wirklich nicht. Als ich gekündigt habe, wurde mir noch mitgeteilt, dass ich länger durchgehalten habe, als die meisten anderen. Nach drei Stunden! Das muss man sich mal überlegen… Als ich noch auf dem Weinberg ins Auto gestiegen bin, habe ich einen Anruf vom Starbucks in der Nähe des Hostels und eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen. Von daher war es ja gar nicht so schlecht, dass ich den Job genau in dem Moment aufgegeben hatte. So schlug ich noch am gleichen Tag beim Starbucks auf. Dieser war allerdings aufgrund eines Überfalls einfach mal kurzzeitig geschlossen und von der Polizei besetzt, sodass mein Gespräch erst einmal verschoben wurde. 

Auf einem der vielen Weinberge der Umgebung
So habe ich in den letzten Tagen mehr Zeit um was mit meinen Mitbewohnern aus dem Hostel zu machen. In der ersten Woche hatte ich hier so gut wie jeden Tag ein neues Mädchen als Zimmergenossin. Darunter war abgesehen von Ronda eine Asiatin aus Kamloops, eine belgische Mutter mit Tochter, eine merkwürdige Kanadierin, die am Folgetag eine Operation vor sich hatte, eine deutsche Wwooferin und eine weitere Deutsche auf der Durchreise. Ich glaube in genau einer Nacht hatte ich das Zimmer auch mal für mich. Seit gestern habe ich nun eine dauerhafte Mitbewohnerin aus Neuseeland namens Michelle, die die letzten Monate im Big White Ski Resort gearbeitet hat. Am meisten habe ich allerdings mit den Mitarbeitern der Unterkunft und den Leuten die im Hostel wohnen und in der Umgebung arbeiten zu tun, da diese nicht von Tag zu Tag wechseln.  Georg aus Dresden ist beispielsweise sehr gesprächig und verdient sein Geld mit dem Renovieren eines Hauses in der Stadt. Philipp kommt aus Quebec und macht eine mega Weltreise. Im Hostel arbeiten tut der Australier Matt, der sehr sehr gerne Gitarre spielt und die beiden Schwestern Patricia und Valeria, auch aus Quebec. Seit letzter Woche ist auch Paula aus Bayern in Kanada und sie hat auch einen Job im Hostel bekommen. 

Mit ihr war ich letzten Samstag zunächst auf dem lokalen Farmers Market (wo es eine sehr gute deutsche Brezel gab) und anschließend auf der Kangaroo Creek Farm in Lake Country. Dort konnten wir in ein riesiges Gehege mit Kängurus, Pampashasen und einem Emu. Alle diese Tiere konnten wir füttern und streicheln und wir waren einfach hochauf begeistert. Kängurus sind so super weich und total niedlich! Wir wollten am liebsten eins mitnehmen. Am besten eines der kleinen Babys, die wir auch auf dem Arm gehalten haben. Der Ausflug dahin war definitiv eines der Highlights von meiner bisherigen Zeit in Kanada. Im zweiten Gehege waren auch noch Hängebauchschweine, ein riesiger Truthahn und Pfaue, jedoch waren die vielen zahme Kängurus einfach die Hauptattraktion. 

Im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hand gefressen
Totale Begeisterung über das süße, nur zwei Wochen alte Känguru

Später hieß es dann Shoppen gehen in der Orchard Plaza Mall, aber da wir eher auf dem Spartrip sind, gingen wir am nächsten Tag erstmal bei schönstem Wetter (wie hier fast jeden Tag) wandern. Zuerst erkundeten wir den Rundweg im Bear Creek Provincial Park, der einen Wasserfall, steile Felswände, wunderschöne gelbe Blumen überall wo man hin schaut und vor allem unfassbar tolle Aussichten auf das Tal zu bieten hat. 



Da Paula und ich anschließend noch Puste hatten, fuhren wir in den Kalamoir Regional Park und hingen gleich noch eine kurze Wanderung dran. Diesmal direkt am See in West-Kelowna zwischen abermals denselben schönen Blumen und Blicken auf das Wasser. Außerdem konnten wir einen weiteren Adler, Murmeltiere und farbenprächtige Schmetterling sichten. So erlebe ich hier Tag für Tag weitere Highlights.





Samstag, 18.04.2015 – Tag 291

Das Leben in Kelowna International Hostel wird langsam zum Alltag, aber dennoch nicht langweilig. Ob ich mit Paula nur durch Downtown und in ein sogenanntes Pulpfiction Café gehe, in dem es nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch unzählige Antiquitäten und alte Bücher gibt, oder wir einfach nur im Hostel bleiben und uns ein tolles Essen zaubern, irgendwas schönes fällt uns immer ein. 

Auch mit Michelle aus meinem Zimmer verstehe ich mich super. Vor ein paar Tagen sind wir nach Peachland gefahren und haben das Parrot Island Sanctuary besucht. Dies ist ein Aufnahmezentrum für Papageien und andere exotische Vogelarten, die als Haustiere nach Kanada importiert und schließlich nicht mehr gewollt wurden. Wir hatten uns das Ganze eher wie einen kleinen touristischen Vogelpark vorgestellt. Im Endeffekt war es eher nur ein größerer Raum mit riesigen und vor allem stimm- bzw. schnabelgewaltigen Vögeln in relativ kleinen Käfigen. Schön sahen sie shcon aus mit ihrem bunten Federgewand, aber vor allem bei den Kakadus mit ihrem unglaublich ohrenbetäubenden Krächzen kann man schon irgendwie verstehen, warum sie dort abgegeben worden waren. Dafür habe ich papageien und Kakadus wirklich mal richtig sprechen hören und der eine hat uns sogar solange zugelabert, bis wir ihm zugestimmt haben, dass er ein schöner Vogel sei. 

Ein neugieriger Rio!
Umgeben von um Aufmerksamkeit schreienden Vögeln

Anschließend sind wir noch in das kleine Dorf von Peachland gefahren, das aus drei kleinen Läden und einer Touriinfo besteht, aber dafür eine wundervolle Atmosphäre am See zwischen den Bergen hat. Von einem kleinen Aussichtspunkt an der Straße konnten wir diese auch noch einmal von einer beträchtlichen Höhe aus bewundern. 




Gestern waren Michelle und ich nochmals am See hier in Kelowna und sind die Runde gelaufen, die ich am ersten Abend schon erkundet hatte, als ich noch fest davon ausging, nur für eine Nacht in der Stadt zu bleiben. Wir haben übrigens herausgefunden, dass die Eule nicht echt ist. Heute Nachmittag ging es dann zu einer kleinen Wanderung entlang eines Canyons, die eigentlich zu einem Wasserfall führen sollte, den wir leider nie erreicht haben, aber dafür mal wieder einen traumhaften Blick auf das Tal bekamen. Solche Blicke bekommt man hier echt ständig und von überall zu Gesicht und jedes Mal ist die Aussicht doch ein wenig anders und immer wieder überwältigend schön. So hielten wir auch noch an einem der vielen Weinberge an und genossen den Sonnenschein. Sonst verquatscht man einfach viel ziemlich Zeit im Hostel. Momentan ist das relativ überfüllt von Australiern aus Big White. 



Mein Vorstellungsgespräch bei Starbucks lief eigentlich richtig gut, abgesehen davon, dass sie niemanden einstellen, dessen Visum Anfang Juli anläuft. Dafür bin ich endlich mal dazu gekommen, meine Steuererklärung zu machen. Zudem habe ich dann einfach mal die Managerin im Hostel gefragt, ob sie noch Leute gebrauchen könnten und Patricia meinte, dass sie sogar schon an mich gedacht hatte. Damit hatte ich gar nicht gerechnet, da Paula ja erst ihr angefangen hat und Philipp nun auch bald mithilft. Dennoch war ich gerne gesehen und so habe ich heute Morgen angefangen für meine Unterkunft zu arbeiten. Die Arbeit macht wirklich Spaß und ich mache kaum etwas, was ich nicht schon vorher auch getan habe. Es ist zwar nur ein Teilzeitjob und ich bezahle damit nur mein Bett, aber ich kenne meine Mitarbeiter schon und es ist echt nicht viel zu tun. Eigentlich geht es nur darum, die Kunden zu bedienen und einzuchecken, obwohl das auch mehr die Vollzeitangestellten übernehmen, und alles so sauber wie möglich zu halten. Heute habe ich mit Valerie zusammengearbeitet und wir hatten sogar so viel Zeit, dass sie mir ein wenig Französisch im Austausch für Deutschstunden beigebracht hat. Bald werde ich dann wahrscheinlich auch in einen der Mitarbeiterräume ziehen, da ich nun offiziell zum Team gehöre. So schnell können die Dinge ihren Lauf nehmen.

Hostelleben
Jenny


Samstag, 18. April 2015

Auf spirituellen Wegen



Mittwoch, 01.04.2015

Abschiedsabend in Gastown
Nun ist meine Zeit in Vancouver auch schon wieder vorüber. Livia und Krischan sind gestern früh nach Toronto geflogen. Nun scheint das Apartment einfach zu ruhig zu sein. Da ich heute noch nach Chilliwack aufbreche, um dort die Gemeinschaft zu besuchen, lebt nun nur noch Henrik in der Wohnung und findet hoffentlich einen neuen Mitbewohner. Am Montagabend waren wir alle zusammen nochmals schön essen und haben eine Runde durch das schöne Stadtviertel Gastown gedreht. Anschließend war es schon ein wenig merkwürdig, sich zu verabschieden, obwohl man die Nacht über trotzdem noch im gleichen Zimmer schläft, man sich früh morgens aber einfach nicht mehr sehen wird. Da es mir nun wieder richtig gut geht, habe ich mir gestern in der Stadt noch einen richtig schönen Tag gemacht. Ich bin durch die Straßen und an den Schaufenstern vorbeigeschlendert und traf mich nachmittags noch mit Dana von der Arbeit. Sie hatte ja ein paar Tage nach mir bei Jugo Juice angefangen, allerdings schon nach einer Woche gekündigt, da es auch bei ihr einige Konflikte mit anderen Mitarbeitern gab und sie sehr froh war, zu hören, dass es nicht nur ihr so ging. Zusammen schauten wir uns im Kino dann noch den Film „Insurgent“ an, von dem wir beide super begeistert waren. Nun geht es nach einem schönen Monat in der Großstadt wieder aufs Land.


Sonntag, 12.04.2015

In den letzten Wochen ist einfach mal viel zu viel passiert und so versuche ich jetzt mal, das alles irgendwie zusammenzufassen und auf den neuesten Stand zu kommen. 

Die nächste Station meiner Reise war also Chilliwack, eine kleine Stad anderthalb Stunden von Vancouver entfernt. Dort habe ich fünf Tage bei der Gemeinschaft der Twelve Tribes verbracht, die ich ja schon in Courtney auf Vancouver Island kennengelernt hatte. In Chilliwack wohnte ich mit den Single Schwestern Dara, Alma und Yikah zusammen. Dara ist 28 Jahre alt, kommt aus Grand Prarie und hat eine durchaus gewöhnungsbedürftig übersprudelnde, aber sehr liebenswerte Art. (Die große) Alma kommt von einer der kleinen Inseln zwischen Vancouver Island und dem Festland, ist in den Staaten der Community beigetreten und nur zwei Jahre älter als ich. Yikah ist schon 30, was man ihr wirklich nicht anmerkt, wohnt eigentlich in der französischen Gemeinschaft und besucht für ein halbes Jahr Kanada. Die kleine Alma ist für mich aus dem Zimmer für die Zeit ausgezogen, wodurch ich mich wirklich schlecht fühlte. Jedoch ist das für die Leute aus der Community normal und sie hat sich ehrlich gefreut, auch mal woanders schlafen zu können und mich bei ihr aufzunehmen. Zwei ihrer Geschwister sind mir schon in Courtney begegnet und sie hat mich an meinem ersten Tag erst einmal auf einen Rundgang durch die Umgebung genommen. 

Meine Zimmergenossinen und Single Sisters
Anschließend fand auch schon mein erstes Gathering in Chilliwack statt. Der Raum bzw. Haus, in dem das morgen- und abendliche Zusammentreffen stattfindet, ist super gemütlich und eine Art runder Bungalow. Für mich war es nach den anderthalb Monaten wieder richtig schön an einem Gathering teilzunehmen. Im Vergleich zur anderen Community leben hier ungefähr doppelt so viele Menschen und so gibt es auch viel mehr Musikanten, was zum gemeinsamen Singen und Tanzen echt schön ist. Einer davon ist Uriah, der die Harfe und noch gefühlte tausend andere Instrumente spielen kann und mit seiner Frau M´susa und ihren Kindern Chavdalah, Dodova, Ben Chessed und Ruth aus der deutschen Gemeinschaft kommt. Chavdalah ist die älteste Tochter und mir 17 Jahren schon in einer Wartezeit mit einem Jungen aus Winnipeg, in der sie herausfinden, ob sie heiraten wollen. Die kleine, siebenjährige Ruth war mir gegenüber anfangs richtig schüchtern und wollte mich nach den paar Tagen kaum noch gehen lassen. Mit der Familie hatte ich auch ausführliche Gespräche über die Situation der Gemeinschaft in Deutschland, was für uns alle glaube ich wirklich wichtig war. 

An meinem zweiten Tag in Chilliwack habe ich das Yellow Deli kennengelernt. Das ist eine Art Café, welches 24 Stunden lang offen hat. Für den Donnerstag habe ich dort mitgeholfen und die Salate und Desserts zubereitet. Yikah hat mir alles erklärt und es hat richtig Spaß gemacht mit ihr zusammenzuarbeiten. Dort gab es nicht so eine furchtbare Hektik wie im Jugo Juice und alle haben Freude an dem, was sie tun. Dazu gab es dann ein leckeres Mittag, bei dem ich die energiegeladene und strahlende Yedidah etwas näher kennengelernt. Sie bildet mit ihrem Mann Yiphtach und den drei Kindern die lebhafte, rotköpfige Familie der Farm. Vom und zur Arbeit geht es mit einem der typischen, alten gelben Schulbusse. Die Atmosphäre im Deli drinnen ist echt traumhaft schön. Es sieht aus wie in dem Café in Courtney, aber unterscheidet sich so von allen anderen Cafés dieser Welt. So ist es gerade zur Mittags- und Abendbrotszeit auch richtig gut besucht.

Willkommen im Yellow Deli Chilliwack

Ich hätte gerne auch noch den nächsten Tag dort gearbeitet, allerdings war das der Freitag vor zwei komplett arbeitsfreien Tagen und so wurde ich mehr in der Farmküche gebraucht. Das ganze Essen für den Sabbath am Samstag und den High Sabbath am Sonntag musste vorbereitet werden und dadurch waren Zavyth, Dara und ich tagsüber mit dem Backen von Pfirsichkuchen, dem Stopfen von Eiern und dem Schneiden von Gemüse beschäftigt. Am Freitagabend kamen dann wieder ein paar Gäste, um am Gathering und der Feier zum Beginn des Sabbath teilzunehmen. Ich habe Kleidung von Alma ausgeliehen bekommen und wir haben wieder sehr viel getanzt und einfach nur den Abend genossen. Freitagabende in der Community sind einfach nur wundervoll und jeder freut sich die ganze Woche lang auf die kleine Festrunde. 

Der arbeitsfreie Samstag wurde dann mit dem Essen des Sabbathpie begonnen. Nach diesem süßen Frühstück sind wir fast alle zu einem Park in der Nähe gefahren (im tollen Schulbus natürlich) und haben dort Volleyball gespielt. Natan, einer der Single Brothers, der allerdings gerade seine Wartezeit mit Yikah begonnen hat, konnte uns sogar ein wenig was beibringen und wir hatten alle großen Spaß, bis wir leider vom Platz geschmissen wurden. Nachmittags wird am Sabbath normaler Weise ein wenig geschlafen, da man ja jeden Tag schon um 6:00 Uhr früh aufstehen muss. Allerdings haben die Männer den Gatheringraum für den Abend komplett umgestaltet, sodass alle bequem und warm auf dem Boden sitzen konnten, und Alma und ich haben uns ein wenig um die Dekoration gekümmert. Das hieß zunächst unzählige Servietten zu falten und Massen an den schönsten bunten Blumen auf dem Grundstück zu finden und zu pflücken. Dadurch hatten wir nur noch eine relativ kurze Ruhepause vor dem Sabbathmal und dem Beginn von Pesach bzw. Passover and Days of unleavened bred, was bei den Zwölf Stämmen anstelle von Ostern gefeiert wird. 

Ein bisschen Sport vor einer wundervollen Kulisse
Normalerweise findet am Samstagabend das Brechen des Brotes (breaking of bred) statt, an dem nur die „getauften“ Mitglieder teilnehmen dürfen. Da es aber zum Beginn des Pesach ein ganz besonderer Anlass war, durften ausnahmsweise auch die Kinder und Gäste (ich war der einzige Gast derzeit) dem beiwohnen. Das war ein ziemlich ungewöhnliches Ereignis für mich und scheinbar auch für die anderen, da die meisten zuvor noch nie dabei einen Gast in der Runde hatten. Das normale Gathering am Abend fand erst einmaldraußen statt, da die Stühle alle für die Vorbereitung des Raumes raus gestellt worden waren und das Wetter einfach super war. Trotzdem war es etwas kühl, da die weiten Röcke natürlich doch etwas luftiger sind als meine gewohnte Jeans. Anschließend ging es nach drinnen, wo Natan die Geschichte vom Tod Yahshuas als Lamm vorgelesen und die Kinder mussten sie anschließend wiedergeben. So wurde noch ein wenig über das Ereignis gesprochen, bevor das hefefreie Brot hereingetragen wurde und Phineas und seine Söhne haben es empor gehoben und alle haben gebetet. Dann wurde das Brot herumgereicht und jeder hat sich ein Stück abgebrochen und gegessen. Ein paar leute meinten, ich solle auch etwas davon essen und ein paar andere meinten, ich kann das auf gar keinen Fall tun. Da das Brechen des Brotes für die Gemeinschaft eine sehr wichtige Rolle spielt und ein Symbol dafür ist, das sie Yahshua ähnlicher werden, habe ich schließlich darauf verzichtet und nur die leckere Suppe verzehrt. Im Anschluss ging ein großes Weinglas durch die Runde, von dem jeder der Erwachsenen einen Schluck trinken durfte. Dann knieten alle mit dem Kopf auf dem Boden und beteten, was schon etwas außergewöhnlich war und ich so von der Gemeinschaft auch noch nicht erlebt hatte. Auch das ausschreien zu ihrem Master nachdem sie ein Lied gesungen hatten, war schon sehr extrem und religiös und ich war sehr froh, dass Alma mir immer ein wenig im Voraus erzählt hatte, was passiert. Sonst hätte ich mich sicher sehr erschrocken, als alle plötzlich durcheinander geschrien haben. Dieses Erlebnis war für mich auf der einen Seite sehr intensiv und überwältigend, aber auf der anderen dann doch auch einfach ein bisschen zu viel. Definitiv war es aber eine große Ehre und sehr faszinierend, dabei sein zu dürfen. 

Ein kleiner Eindruck vom Farmgelände
Da es Passover war, war dann auch der Sonntag wieder ein Sabbath und arbeitsfreier Tag. So habe ich den Vormittag hauptsächlich mit den Kindern draußen verbracht, bevor wir nochmals zum Volleyball spielen gefahren sind. Dieses Mal habe ich nicht mitgespielt, sondern mich die meiste Zeit sehr intensiv mit M´susa unterhalten. Sie ist eine so liebenswerte und sich kümmernde, aber gleichzeitig auch einfach am Leben erfreute Frau. Ich liebe es, solche tiefen Gespräche mit den Leuten aus der Gemeinschaft zu führen. Es fällt einem wirklich leichter, mit ihnen über bestimmte ernste Themen zu reden, da die Kommunikation dort sowieso so groß geschrieben wird und beim Gathering die leute sich eh untereinander mitteilen, was sie denken und fühlen. Sehr inspirierende und fesselnde Gespräche hatte ich auch fast täglich mit Gilah. Zuerst wirkte sie ein wenig zu spirituell, da sie n ihrer Erzählweise einfach total aufgeht, aber ich habe die Zeit mir ihr immer sehr genossen und wertgeschätzt, was für persönliche Geschichte sie mit mir geteilt hat. Ihr kleiner Junge und die beiden kleinen Schwestern sind alle super süß und haben definitiv die schönen großen Augen von ihrer Mama geerbt. Ihr Mann hat mich ziemlich verwirrt, da er sich bei mir als Elahaf vorgestellt hat, ihn allerdings alle Kepha nennen, wo es doch sowieso schon nicht gerade einfach ist, sich all die Namen zu merken. Eine mir außerdem sehr wichtig gewordenen Person ist Telah für mich, die immer ein offenes Ohr und ein freudiges Lächeln für einen parat hat. Ihre Geschichte, in der sie durch das Treffen auf die Gemeinschaft plötzlich wieder Vertrauen in Menschen gefunden hat, hat mich sehr berührt. Hier lebt sie nun schon seit einigen Jahren mit ihrem Mann, dessen Namen ich leider schon wieder vergessen habe, und deren kleiner Tochter Labenah. Ornan, der schon etwas älter ist und keine Familie in der Gemeinschaft zu haben scheint, war der einzige, bei dem man gemerkt hat, dass er mich aktiv versucht hat zum Beitritt zu überzeugen. Zwei Familien, die ich erst einmal lernen musste zu unterscheiden waren Gada und Gidon mit ihren beiden aufgeregten Töchtern und Zavyth und Chets Rishon mit ihrer Tochter und dem Baby. In Chilliwack leben einfach mal so viel mehr Menschen und vor allem mehr Kinder als in Courtney und das hat das Lernen der ganzen Namen nicht gerade vereinfacht. Immerhin konnte ich an meinem letzten Tag auf der Farm alle Namen der Erwachsenen und auch die meisten der Kleinen. Allerdings ist es nicht sehr hilfreich, die ganzen Erlebnisse von dort so spät niederzuschreiben, da ich einfach gefühlt schon wieder so viele vergessen habe und mir das wirklich ein schlechtes Gewissen macht. Beispielsweise den von Phineas Frau, die mir bei Breaking of Bred so vieles erklärt hat, wofür ich wirklich dankbar war. Phineas scheint als einer der Älteren zu gelten und hat auch oft eine teilweise leitende Rolle im Gathering vertreten. Seine Söhne Amatz und Galiah leben mit ihnen in Chilliwack und sein dritter Sohn Elionah lebt mit seiner Frau Hannah, Sohn Alahaf und Tochter Sarah in Courtney. An dem Tag nach meiner Ankunft dort musste seine Familie allerdings für ein paar Tage nach Victoria fahren und so hatte ich sie nur kurz kennenlernen können. Dafür haben sie an dem Wochenende Chilliwack besucht und die kleine Sarah abgeholt, die eine Weile bei ihren Großeltern gelebt hat. Es war echt schön für mich, dass auch jemand von der Gemeinschaft in Courtney da war und ich die Chance hatte, die schwangere Hannah auch ein wenig besser kennenzulernen. Eine weitere große Familie in der Community in Chilliwack bilden Shoshana und Yonadab mit ihren beiden Söhnen Oseh und Ethan und zwei weiteren Kindern, die nun schon in anderen Gemeinschaften leben. Mit dieser Familie hatte ich nicht so viel zu tun wie mit den meisten anderen, aber es war einfach beeindruckend, wie Oseh mit 14 Jahren mal eben in der Lage ist, die Küche des Delis alleine zu schmeißen und wie Etahn einfach mal aussieht, als wäre er 27 und nicht zehn Jahre jünger. Die Kinder von der Farm wirken sowieso alle älter und erwachsener, da sie durch den Hausunterricht mit ganz anderen Verantwortungen aufgewachsen sind als ich es bin. In Chilliwack habe ich übrigens auch die Mutter von Abenah aus Courtney kennengelernt und abgesehen von Natan, der eine Zeit in einer Gemeinschaft auf einem Segelschiff verbracht hat, leben noch die Single Brothers Shama, Mahyr und Benyamin auf der Farm. Das waren einfach so unglaublich viele Leute und obwohl ich nur fünf Tage hatte, um sie kennenzulernen, haben sie mir alle inspirierende und unvergessliche Erlebnisse und Erinnerungen mit auf den Weg gegeben.

Eine sehr, sehr große Familie

Nach dem Volleyball am Sonntag hat Yikah mich mit zu den Ziegen genommen und anschließend konnten wir endlich etwa Schlaf am Sabbath nachholen. Nach drei Stunden Mittagsschlaf stand dann schon mein letztes Abendgathering für den Aufenthalt auf der Farm an, bei dem wir nochmal total viel getanzt haben. Vor dem Schlafengehen haben wir einfach noch unendlich lange gequatscht und Dara war ganz aufgeregt am überlegen, was sie für mein letztes Frühstück in der Community am nächsten Morgen zaubert. So kamen wir am Montag etwas später zum gathering, da ich unbedingt die „Popovers“ sehen sollte. Bevor ich mich schließlich verabschiedet habe und gefahren bin, hatten die Frauen in einem Womens Meetingdie Aufgaben für die nächste Woche geplant, da diese durch Passover etwas anders als normaler Weise ablaufen wird und auch das Deli geschlossen ist. Da einige Leute dort dennoch aufgerääumt und ein paar Arbeiten im Laden erledigt haben, bin ich auch noch dahin gefahren, um Tschüss zu sagen. Von Chadasha, die meist den Laden besetzt, habe ich noch reichlich Verpflegung mitbekommen und alle kamen noch einmal nach draußen und haben gewinkt, als ich vom Hof gefahren bin.
So ging es wieder für einen Tag nach Vancouver. Eigentlich hatten Dana und ich vor, noch etwas gemeinsam zu unternehmen, aber das musste spontan leider doch ausfallen. Dafür habe ich Henrik unerwarteter Weise noch einmal wieder gesehen. Damit hatte ich gar nicht gerechnet, weil er meinte, er wäre noch auf seinem Trip nach Banff, wenn ich wiederkomme und er hatte nicht mehr ganz auf dem Plan, dass ich nochmals am Montag vorbeischaue. Allerdings waren wir immer kurz in der Wohnung, wenn der jeweils andere nicht da war und so haben wir uns beide über jede Veränderung doch etwas erschrocken und gewundert, bis wir schließlich beide zeitgleich anwesend waren. Da ich am Nachmittag noch Zeit hatte und das Wetter super war, machte ich einen ausgiebigen Spaziergang über die Granville bridge und hatte einen super Ausblick auf die Stadt, das Wasser und Granville Island. Am Dienstag ist zum Glück auch noch mein Osterpaket von zu Hause direkt vor meiner Abfahrt angekommen und ich bin nochmal bei Rose, ihrer Mutter und Joy vorbeigefahren, um mich zu verabschieden, bevor es weiter geht. 



Jenny