Sonntag, 21.09. 2014 – Tag 82
Innerhalb der letzten beiden
Wochen habe ich in und bei Calgary drei Jahreszeiten durchlebt. Nachdem die
Kinder der Gegend vier Tage lang mit Schneemann bauen und Rodeln beschäftigt
waren, hatten wir noch einmal eine sehr warme Sommerwoche. Nun färben sich
mittlerweile die Blätter der Bäume in den schönsten Farben und der Herbst steht
vor der Tür. Dies ist wahrscheinlich nicht annähernd mit dem Indian Summer der
Ostküste zu vergleichen, aber Laura wäre mit ihrem Faible für Herbstbäume
dennoch hin und weg. Während Caren und Marc nun genau in den beiden Wochen auf
Reise waren, habe ich auch ein wenig die Ruhe genossen und selbst den Haushalt
mit Wäsche waschen, Putzen und vor allem Kochen erledigt. Man lernt ja immer
wieder dazu. =) Unsere Nachbarin Eryn war auch sehr süß und hat mir angeboten
einfach bei ihr und ihrer Familie vorbeizuschauen, falls ich einsam oder mir
langweilig sein sollte. Durch die viele Arbeit bin ich leider nicht ein Mal
dazu gekommen. Trotzdem ist es doch immer schön zu wissen, dass jemand da ist.
Mit ihrem Mann Tracie bin ich letzte Woche auch zwei Tage zur „Univerity of
Calgary“ gefahren, da er dort arbeitet und ich von da aus mit der Bahn weiter
zum Tower für meine Schichten im Visitor Information Centre fahren konnte. Da
seine Arbeit allerdings wirklich sehr früh beginnt, hatte ich immer noch zwei
Stunden zwischendurch Zeit. So habe ich am Dienstag die Chance genutzt die
Universität ein wenig kennen zu lernen. Es gibt schließlich immer noch genügend
Leute hier, die versuchen mich von einem Studium in Kanada zu überzeugen.
Bisher hatten sie dabei noch nicht so viel Erfolg, aber zum Glück habe ich auch
noch ein paar Monate, um solche Entscheidungen zu treffen.
Meine beiden Arbeitstage im Tower
waren wieder einmal sehr erlebnisreich, wenn man beispielsweise bedenkt, dass
alle drei Mitarbeiter, die am Dienstag Schicht hatten, ungefähr einen Monat
lang nicht mehr im Centre waren und wir uns so erst einmal gegenseitig auf den
neuesten Stand bringen mussten. So habe ich auch Marli kennengelernt, eine
Brasilianerin, die keinen leichten Start in Calgary hatte, aber jeden mit den
vielen Sprachen beeindruckt, die sie beherrscht. Interessant wurde es dann
auch, als der Computerfritze ankam, um den Hauptcomputer wieder zum Laufen zu
bringen, und niemand den richtigen Schlüssel in einer Schlüsselbox mit
gefühlten hundert Exemplaren finden konnte. Dabei war es auch ziemlich
frustrierend, dass jeder zweite Schlüssel ins Schloss passte, aber dennoch
nicht funktionierte. Am nächsten Tag war Kaitlyn dann die Heldin des Tages als
sie den richtigen in der Hand hielt. Dafür saß ich am Mittwoch während ihrer
Mittagspause plötzlich vollkommen im Dunkeln alleine in der Touristinformation,
da der halbe Tower vom Stromausfall betroffen war. Es macht sich auch total praktisch
den Touristen ihren Weg auf einem Stadtplan zu erklären, den sie nicht sehen
können. Als dann auch wieder Licht vorhanden war, spazierte ohne Witz ein
pfeifender und vor sich hin murmelnder Gnom in das Centre herein. Der kleine
Mann trug einen Schlapphut, sowie eine dicke Jacke und Stiefel und entsprach so
vollkommen der Vorstellung eines Gnoms. Zum Glück wollte er keine touristische
Auskunft von mir haben und hat mir nur irgendetwas über die Uhrzeit in
Mexiko-City erzählt, denn verstanden habe ich sein Gemurmel nicht wirklich.
Somit waren meine beiden Arbeitstage bei „Tourism Calgary“ wieder etwas
chaotisch insgesamt gesehen.
Aber auch der Campingplatz hält
mich durchweg auf Trab. So bin ich dort beispielsweise schon als das arme Mädel
bekannt, dass jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren muss. Marius, ein Mitarbeiter
im Convenience-Store nebenan, war der erste der mir den einen Abend angeboten
hat, nach der Arbeit zu fahren. Seiner Meinung nach wäre es auch kein Problem
gewesen mein Fahrrad in seinem Auto mitzunehmen, woraufhin ich natürlich davon
ausging, er hätte einen Truck oder zumindest einen großen Van. Somit war ich
noch mit dem Suchen des Autos beschäftigt, als wir schon längst vor seinem
kleinen gemütlichen Fahruntersatz standen, der so gar nicht der gewohnten
kanadischen Autogröße entsprach. Nach einigen sehr lustigen aber zumeist
erfolglosen Versuchen des Fahrrad irgendwie im Kofferraum unterzubringen, wurde
ich also mit offener Kofferraumklappe und einem halb heraushängenden Rad nach Hause
chauffiert. Am nächsten Tag hatte er dann total das schlechte Gewissen, dass er
drei Stunden länger als ich arbeiten musste und mich so nicht mitnehmen konnte.
Auf der anderen Seite tat es mir jedoch Leid, dass er noch bis Mitternacht
arbeiten musste und ich schon gehen durfte. Außerdem hat er mir noch einen anderen „Fahrdienst“
besorgt und so fuhr ich mit Corie aus dem c-store, ihrer Mutter, deren Freund
und ihrem Sohn zurück nach Cochrane. Da ich mittlerweile durch die Arbeit nun
auch mehr Leute in meinem Alter kennengelernt habe, wurde ich gestern auch von
Tristan aus dem Liquor-Store zu einer Party eingeladen. Ohne Auto macht sich
das natürlich immer ein wenig doof aus Cochrane rauszukommen, aber ein anderes
Mal bin ich dann sicher dabei. Im Gegensatz zu Marius, der an der University of
Calgary gerade angefangen hat zu studieren, brauchte Tristan auch ein Jahr
Auszeit zwischen Schule und Uni und verbringt so seine Zeit auf dem
Campingplatz, bei Sportcheck und auf Partys. Da es sich wie gesagt mittlerweile
herumgesprochen hat, dass ich mit meinem Radel unterwegs bin und meine Kollegen
jeden Abend sehr besorgt bin, wenn ich im Dunkeln nachts den Highway entlang
fahre, hat auch er mich gestern nach der Arbeit nach Hause gefahren und ich war
sehr erleichtert, als ich seinen Truck gesehen habe und das Rad innerhalb von
zehn Sekunden auf der Laderampe lag. =) Darüber was ich nach einem langen und
vor allem ungemein stressigen Arbeitstag auch sehr dankbar. Gestern war nämlich
wirklich nicht mein Tag. Schon auf dem Hinweg hab ich mich wieder einmal noch
mehr gequält als sonst, aber immerhin habe ich dabei auch zum ersten Mal eine
Eule in freier Wildbahn gesichtet. Weiter ging es damit, dass ich erst einmal
den Alarm im Büro ausgelöst habe, als ich aufgeschlossen habe. So wurden
wenigstens alle Camper schon kurz vor 9:00 Uhr wach. Ich habe allerdings keine
Ahnung wieso die Sirenen angegangen sind, da ich ja nicht zum ersten Mal die
Frühschicht übernommen habe… Dazu kamen dann im Laufe des Tages nur Probleme
und es war durchgängig zu tun. Da war es auch nicht besonders hilfreich, dass
zwischendurch einfach mal das komplette Netzwerk zusammenbrach. Als Crystal
mich dann nachmittags ablöste und mitbekam, was für ein chaotischer Tag war,
fragte sie mich nur, ob sie mich denn bei irgendwelchen Problemen anrufen
könnte, da unsere Chefin momentan im Urlaub ist und sie nur ab und zu aushilft.
So wird man nach nur einem Monat die Expertin, die die meiste Zeit über das
Büro sowieso alleine managet, auch wenn man dabei mal aus Versehen mal die
Alarmanlage aktiviert. Ich war jedenfalls echt froh, als es Zeit für meinen
verdienten Feierabend wurde, denn der Tag konnte ja nur besser werden.
Zum Glück wurde er es dann
tatsächlich auch noch. Caren und Marc kamen einen Tag früher aus dem Urlaub als
geplant, wodurch ich zwar einen Tag weniger das Haus für mich hatte, aber dafür
haben sie ganz viel richtig leckeres und frisches Obst aus British Columbia
mitgebracht. Das Highlight des Tages war allerdings das erste Paket, das ich
nun aus Deutschland erhalten habe. Über Kinderschokolade, Schokopudding und
eine liebe Karte von der Laura habe ich mich gefreut wie ein Kullerkeks!
Barrel riding in Cochrane - "How the west is now" |
Heute habe ich dann mal wieder
einen entspannen freien Tag genossen und habe mit meinen Gasteltern die
„Cochrane Fall Fair“ – das örtliche Herbstfest – besucht. Sehr amüsant war
dabei der Kaninchen-Weitsprung-Wettbewerb und mit dem Barrel Riding, bei dem
die Cowgirls möglichst schnell um Fässer in einer Kleeblattschleife reiten,
habe ich noch etwas von der Western-Tradition mitbekommen, was ich am
Labour-Day in Cochrane verpasst habe. Schließlich habe ich mich dann auch dazu
entschieden, beim Bullenreiten mitzumachen, was man komischer Weise nicht so
häufig hier im Western findet. Es war aber sehr, sehr lustig, obwohl man sich
auch extrem anstrengen musste, um nicht herunter zu fallen.
Jenny in Action |
Ehrlich gesagt war
das mal eine ganz willkommene Abwechslung, da ich in der letzten Zeit mehr den
Teil der Arbeit des „work & travels“ erlebt habt. Deshalb freue ich mich
momentan auch schon sehr auf nächstes Wochenende, an dem wir endlich wieder
campen gehen.
Sonntag, 28.09.2014 – Tag 89
Eine Runde um den Crimson Lake |
Und wieder einmal schreibe ich
auf dem Rückweg vom Campingwochenende am Crimson Lake. Da ich ja so begeistert
vom Radfahren bin und natürlich noch nicht genügend hier in Kanada mit dem Rad
unterwegs war in der letzten Zeit, machten Caren, Marc und ich gestern eine
Radtour um den See. Die Sonne, die sich im Wasser umgeben von den herbstlichen
Bäumen spiegelte, war auch wirklich schön anzusehen! Ansonsten haben wir das
Wochenende ganz entspannt mit Lagerfeuer und S´mores verbracht. Ich habe jetzt
übrigens angefangen zu backen. Damit Caren auch etwas davon isst, haben wir nun
begonnen, joggen zu gehen, was mit den Rockies in der Ferne hier auch viel mehr
Motivation bringt, als es das zu Hause würde. Natürlich verging das Wochenende
auch wieder viel zu schnell.
Bevor wir am Freitagabend
losgefahren sind, hatte ich übrigens noch ein Vorstellungsgespräch beim
„Canadian Tire“, einer kanadischen Baumarkt-Kette, bei der ich am Anfang meiner
Jobsuche mal eine Bewerbung ausgefüllt hatte. Das Interview lief hervorragend
und so wurde mir schon ein paar Stunden später ein Job in der
Haushaltsabteilung angeboten mit einem etwas geringeren Gehalt als auf meiner derzeitige
Position. Natürlich fühle ich mich auf dem Campingplatz momentan ganz wohl und
müsste mich nicht wieder in eine neue Position einarbeiten, wenn ich dort
bliebe. Allerdings hatte ich ja eigentlich auch vor verschiedene Jobs in dem
Jahr auszuprobieren. Von daher ist momentan noch nichts entschieden.
Zurzeit genieße ich auch noch
die letzten paar Tage im Visitor Information Centre im Tower. Im Gegensatz zu
Tristan, bei dem im Liquor-Store fast nie ein Kunde vorbei schaut und es schon
zum Tageshighlight wird, wenn er zum Geldwechseln ins Büro kommt, war im Tower
diese Woche wirklich viel los. Übrigens hat Kaitlyn den Gnom diese Woche auch gesehen. Am Dienstag
hatten Debbie und ich viel Spaß in der wenigen freien Zeit, in der wir überlegten, was für Tagestrips ich
von Calgary aus einmal unternehmen könnte, sobald ich mein Auto haben werde.
Des Weiteren kam sie auf die glorreiche Idee, den Bürgermeister auf meiner
Kanada-Flagge unterschreiben zu lassen. Noch konnten wir niemanden erreichen,
aber Debbie findet immer einen Weg.
Interessant bzw. eher problematisch
war der Weg nach meinem Interview von Cochrane Downtown hoch nach Sunset. Caren
kam extra mit dem Auto hinunter gefahren, damit wir unseren Tagescache finden
können, was schonmal schief ging. Das einzige, was wir fanden, war ein toter
Spatz. Natürlich konnten wir trotzdem mit unserer Challenge fortfahren,
allerdings war gerade für Caren dieser Tag Nerven aufraubend. Allerdings war
schon die Fahrt zurück zum Hause sehr herausfordernd. Da wir nur das kleine
Auto in Downtown hatten, wollte Marc mich und mein Fahrrad abholen, da es schön
angefangen hat in Strömen zu regnen. In der Zwischenzeit schafften wir es
allerdings das Rad in Carens kleines Auto zu verstauen, konnten Marc allerdings
nicht mehr erreichen und davon abhalten auch noch loszufahren. Dann haben wir
ihn auf der Strecke im Gegenverkehr gesehen, sind gleich umgedreht und ihm
hinterhergefahren. Da wo wir uns allerdings treffen sollten, war er jedoch nicht mehr, als wir wieder dort ankamen und
als wir wieder zu Hause waren, war er noch nicht wieder da, obwohl er uns
eigentlich voraus war. So wusste niemand mehr, wo der andere war, das Wetter
war in der Zwischenzeit wieder wundervoll gewesen und ich wäre mit dem Rad
dreimal schneller angekommen. Damit waren wir alle erst einmal etwas genervt
als wir das nicht mehr ganz warme Essen endlich verzehren konnten.
Lagerfeuer beim Abschlusscampen |
Dafür hatten wir nun ein
entspanntes Campingwochenende. Möglicher Weise war es mein letztes, da ich
vielleicht zu Thanksgiving aufgrund meiner Arbeitszeiten nicht mit- bzw.
nachkommen kann. Fürs Nachfahren bräuchte ich natürlich auch erst einmal ein
Auto… Ich habe es echt satt zu radeln, aber das ist ja mittlerweile bekannt.
Nur ist es ohne Auto auch nicht ganz so einfach zum Autohändler zu fahren…
Montag, 06.10.2014 – Tag 97
Da mein letztes
Campingwochenende nun schon vorüber ist, habe ich nun angefangen meine weitere
Reise zu planen. Erstmal werde ich weiter auf dem Campingplatz arbeiten und ab
und zu Tages- bzw. Wochenendausflüge machen, bis ich dann Alberta wirklich gut
genug kenne und abgearbeitet habe, damit ich mich anschließend auf den Weg in
Richtung Osten machen kann. Damit würde mein ursprünglicher Plan, eine Weile in
Vancouver zu leben, verfallen. Jedoch war ich auch schon zweimal dort und die
Lust nach Abenteuer schreit zurzeit etwas lauter. Problem ist nur, dass der
Winter im Anmarsch ist (diese Woche kam ein Schneesturm aus Edmonton zu uns,
aber momentan ist es zum Glück noch bzw. wieder Herbst) und auch einige Monate
bleiben wird. Meine netten Kollegen aus dem Visitor Centre, die im Gegensatz zu
mir schon einige kanadische Winter erlebt haben, meinen allerdings, dass es zu
gefährlich wäre in dieser Zeit über den Highway durchs Land zu fahren. Aber im
Schnee und Regen mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, wäre okay… Die ist nun
zum Glück vorbei.
Man kann es kaum glauben, aber
Jenny hat es tatsächlich geschafft, sich ein Auto zu kaufen. Ich habe noch nie
zuvor so viel Geld ausgegeben und insgesamt war der Tag einfach super
anstrengend, überwältigend und überfordernd zugleich. Zuerst habe ich mir in
aller Frühe und mit sehr wenig Schlaf über die Nacht einen quietschgelben,
super verdreckten Pontiac angeschaut. Abgesehen von dem regelrecht ekligen
Zustand des Fahrzeuges fuhr es sich soweit ganz gut und es gab sogar die
Möglichkeit ein Zelt hintendrauf zu bauen, womit man seine eigene
Übernachtungsmöglichkeit immer gleich an Bord hätte. Bei späterer Recherche
mussten wir allerdings feststellen, dass das Auto viel zu teuer angeboten war,
so verdreckt wie es war. Das zweite Auto, dass ich an dem Tag unter die Lupe
nahm, ein Ford Fusion, hat schon einmal mit seiner Sauberkeit im Vergleich
total überzeugt. Auch die Probefahrt mit dem Auto ist gut gelaufen und das
Fahrzeug hat sogar eigentlich einen viel höheren Wert, als der Verkaufspreis.
Das kommt durch den Hagelschaden, den es abbekommen hat und wodurch es aussieht
wie eine Luftschokolade. Dies stört mich natürlich so überhaupt nicht und so
wurde es schließlich genau dieses Auto. Trotz des guten Preises ist das für
mich natürlich immer noch eine gute Stange Geld und man glaubt gar nicht, was
an Kosten noch alles so dazu kommt… Versicherung, Zulassung, Gas, und, und,
und. Damit ich bei der Versicherung einige Hundert Dollar spare, bin ich auch erst
einmal meinen deutschen, sowie meinen internationalen Führerschein losgeworden
und fahre nun wieder nur mit einem Papierzettel umher, bis mir mein echter
kanadischer Führerschein zugeschickt wird. Natürlich war es im ersten Moment
sehr merkwürdig, meinen originalen Schein abzugeben, nachdem ich diesen erst
vor ein paar Monaten bekommen hatten, damit anderthalb Monate in Deutschland
gefahren bin, ihn drei Monate hier gar nicht brauchte und er nun weg ist. Dafür
habe ich nun eine richtige kanadische ID, da der Führerschein hier den Ausweis
ersetzt. Nach diesen ganzen einschlagenden Erlebnissen musste ich nun natürlich
auch noch aus dem Südosten Calgarys in den Nordwesten nach Cochrane zurück
fahren. Durch diese Landschaft mit den Strohballen auf den Feldern vor den
verschneiten Bergen und durch die farbenfrohen Herbstbäume auf den scheinbar
endlosen Straßen zu fahren, ist ein ganz anderes Erlebnis als in Deutschland
umher zu gurken. Bei meinem Fahrtraining gestern lief mir dann natürlich auch
gleich ein Kojote vor das Auto, den ich zum Glück schon lange vorher gesichtet
habe. Auf Wildlife zu achten während der Fahrt gehört hier eben dazu. Meine
Mitarbeiter vom Campingplatz sind nun auch erleichtert, dass ich nun nicht mehr
nachts mit dem Fahrrad auf dem Highway unterwegs bin. Die drei Stunden Arbeit
am Samstagabend an der Rezeption haben mit auch ganz gut getan nach diesem
erlebnisreichen Tag und die Aufregung legte sich mit der vertrauten
Beschäftigung dann auch wieder etwas. Allerdings habe ich Marius erstmal mit
der Begeisterung angesteckt und schwuppdiwupp war ich selbst auch wieder auf
180. =)
Heute Abend geht es noch auf
die Geburtstagsfeier von Donovan, den ich letztes Jahr kennengelernt habe, als
er auf der Stampede-Show ein Solo auf seiner Violine hingelegt hat. Dort werde
ich nachher alle möglichen Menschen des „Calgary Philharmonic Orchesters“ kennenlernen
und Freitag habe ich dann auch schon das erst Konzert, bei dem ich volunteere.
Heute erhole ich mich bis abends noch ein bisschen, damit ich auch hoffentlich
bald wieder richtig gesund werde.
Mittwoch, 08.07.2014 – Tag 99
Während meine Familie wieder
einmal über die Weltmeere schippert und meine Freunde sich zu Hause versuchen in
den ersten Tagen ihres Studienlebens zurecht zu finden, wage ich mich auf die
kanadischen Highways. So bin ich die letzten beiden Tage auch zur
Crowfoot-Station gefahren, von wo uns der Zug nach Downtown Calgary bringt.
Außerdem ist das Geochachen mit einem Kraftfahrzeug dreimal einfacher als mit
dem Rad. Denn auch, wenn ich nun schon 99 Tage in Kanada bin, ist die
99-Day-Challenge noch lange nicht vorbei.
Heute waren Caren und ich mit
Kaitlyn nach der Arbeit Cachen. Diese
Woche habe ich nämlich meine vorerst letzten beiden Schichten im Visitor
Information Centre absolviert. Gestern nahm ich so also erst einmal Abschied
und ein paar weise Worte auf den Weg von Debbie und heute verbrachte ich den
Tag mit Kaitlyn, dem Volunteer John und der neuen Volunteerin Glynis. Als Tyler
dann noch kurz ins Centre kam, um Hallo zu sagen und etwas abzuholen, waren heute
gefühlt mehr Berater anwesend als Touristen. Da es allgemein immer ruhiger wird
in der Touristeninformation, da der Sommer nun wirklich vorbei ist, hat mir
Kaitlyn ein paar Aufgaben gegeben, die mehr organisatorischer Natur waren und
die normaler Weise nur die drei fest angestellten Mitarbeiter erledigen. So
machte ich mich beispielsweise daran, die Broschüren zu bestellen, Übersichten
zu erstellen und die Kundenmails abzuarbeiten. Als Kaitlyn mir vorhin
angekündigt hat, dass sie mich unbedingt beim Teammeeting nächsten Monat dabei
haben will, obwohl ich wie gesagt mit meinen bisherigen Schichten durch bin,
und dass ich doch nicht zu weit reisen soll, für den fall dass es an
Mitarbeitern mangelt, fühlte ich mich schon sehr geehrt. Es ist gut zu wissen,
dass die Arbeit, die einem Spaß macht auch wertgeschätzt wird. Als Dankeschön
hat sie mich auch noch auf den Tower hochgeschickt, wo ich wieder einmal die Schönheit
der Stadt und der Landschaft ringsherum genossen habe. Zum ersten Mal konnte
ich nun auch den Audio Guide ausprobieren. Leider hat man die Berge gestern
nicht so gut gesehen, weil es so diesig war. Caren und Kaitlyn kamen später
auch noch hinterher und von Kaitlyn habe ich sogar noch ein kleines Präsent
bekommen. Sehr süß! Ich werde die Arbeit im Tower und das Team wirklich
vermissen. Besonders Kaitlyn hat sich als meine Chefin echt sehr bemüht
insbesondere was meine Einarbeitung, Aufgabenverteilung und Schichtplanung,
sowie die Eingliederung in kostenlose Aktivitäten als „Tourism
Calgary“-Employee betraf. Süß war es heute auch von Glynis, dass sie mich zum
Thanksgiving-Essen eingeladen hat.
Calgary from above - Glasfloor des Towers |
Auch Donovans Party am Montag
war sehr schön. Ich habe viele Musiker des Orchesters kennengelernt und
interessante Unterhaltungen geführt. Witziger Weise können sogar einige von
ihnen Deutsch sprechen. Ich hingegen bin immer mehr in der englischen Sprache
drin und habe auf dem letzten Campingtrip sogar im Schlaf etwas auf Englisch
erzählt. Vor Donovans Feier hatten Caren, Marc und ich noch etwas an Zeit
totzuschlagen und sind so einfach umher gefahren und schließlich in einem
Zoogeschäft gelandet. Die Fischabteilung hat von der Größe her fast einem
richtigen Aquarium geähnelt und neben einem sehr komisch aussehenden Fisch mit
Pinoccio-Nase konnte man dort auch einen Babyhai kaufen. Zudem erzählte uns ein
Mitarbeiter sehr interessante Fakten über Spinnen, nachdem er meinen Ausdruck
des Ekels über die haarigen Lebewesen gehört hatte. Als sehr begeisterter und
faszinierter Erklärer konnte er uns überzeugend über die Tiere aufklären und so
habe ich beispielsweise gelernt, dass auch Spinnen sich ähnlich wie Schlangen
aus ihrer Haut pellen. So interessant die Unterhaltung auch war, besonders
schön sehen sie immer noch nicht aus.
Montag, 13.10.2014 – Tag 104
Das Wochenende war so erlebnisreich!
Am Freitagabend ging es mit dem Konzert des „Calgary Philharmonic Orchestras“
zum Film „Disney´s Fantasia“ los. Während auf einem großen Bildschirm die verschiedenen
Szenen abgespielt wurden, spielte das Orchester live dazu. Besonders toll
empfand ich die Darstellung der Arche Noah, aber auch der Zauberlehrling und
die durch die Luft schwimmenden Wale zu den „Pinien von Rom“ waren sehr
beeindruckend. Normaler Weise bin ich ja nicht der Typ Mensch, der in solche Konzerte
geht, aber die Kombination aus den Bildern mit der Musik war echt ergreifend
und ich würde bzw. werde nun jederzeit wieder zum Konzert gehen. Besonders cool
ist es auch, wenn man ein paar der Musiker auf der Bühne kennt. Dadurch, dass
ich an dem Abend als Volunteer fürs CPO gearbeitet habe, brauchte ich nicht einmal
Eintritt zahlen. Die Arbeit war auch nicht weiter wild, sondern hat sogar Spaß
gemacht. Meine Aufgabe bestand im Prinzip auch nur darin Raffle-Tickets, also
für eine Tombola zum Gewinnspiel um eine Reise nach Ecuador, vor und nach dem Konzert,
sowie in der Pause zu verkaufen. Dadurch kam man auch gleich ins Gespräch mit
vielen Besuchern. Mit sechs verkauften Tickets war ich sogar eine der
erfolgreichsten an diesem Abend. Da das Thema ja „Disney“ lautete, stand in der
Lobby auch ein Tisch mit lauter Utensilien und Kostümen zum Anprobieren und so
war ich eher mit dem Fotografieren und Beobachten der kostümierten Kinder und Kind
gebliebenen Erwachsenen beschäftigt. Beim Verkaufen der Tickets nach dem
Konzert lief mir dann auch sogleich Alex, der Pauker des Ensembles, in die Arme
und begrüßte mich wie eine lange nicht gesehene Freundin. Ihn hatte ich letztes
Jahr schon kennengelernt und damals hatte er mir eine kleine Einführung durch
die Konzerthalle und zu seinen Instrumenten gegeben. Da er es allerdings nicht zu
Donovans Party geschafft hatte, war es am Freitag eben das erste Mal in diesem
Jahr, dass wir uns trafen. So gingen Caren, Marc und ich noch mit Alex und
seiner Schwester Diana, die übrigens die Konzertmeisterin ist, noch in eine Bar
bzw. ein Restaurant, da ich mit nur dem Stück Papier als Führerschein, dass ich
im Moment nur besitze, mein Alter nicht ausreichend nachweisen konnte und aus
der Bar wieder herausgeschmissen wurde. Da hatte ich es endlich von Marc
gelernt meinen Ausweis zu Hause zu lassen, da der Führerschein als Ausweis
zählt… Wenn man denn einen hätte. :P Im Nachhinein waren jedoch alle ganz froh,
dass wir im Restaurant saßen.
Am Samstag fuhren meine Gasteltern
dann los zum letzten Campingwochenende nach Rocky Mountain House. Ich musste an
dem Tag noch auf dem Campingplatz arbeiten und entschied mich dazu, nicht
hinterher zu fahren. Wieder einmal ging auf Arbeit die Alarmanlage bei
Schichtbeginn an, jedoch weiß ich diesmal, woran es lag. Später musste ich dann
etwas auf dem Storage-Gelände überprüfen, wo die ganzen Leute vor allem im
Winter ihre Wohnwagen abstellen. Das Gate kann man nur mit einer Access-Karte
öffnen. Als Mitarbeiter besitze ich diese natürlich, also war es kein Problem
dort hinein zu gelangen. Das Problem ergab sich eher, als ich das Gelände
wieder verlassen wollte. Das Gate sollte sich von innen eigentlich automatisch
öffnen. Allerdings hat es sich kein bisschen bewegt, als ich näher kam. Ich
vermute, dass die Sensoren dafür im Boden sind und ich einfach nicht ganz das
Gewicht eines Fahrzeuges nachweisen kann, um das Signal zum Öffnen zu geben. So
durfte ich 20 min in der Kälte ohne Jacke und natürlich auch ohne Handy warten,
bis ein Auto schließlich den Storage verlassen hat und ich mit durch das Tor
geschlupft bin. Nach dieser Aktion war ich dann sehr froh, dass ich nun drei
ganze Tage frei habe.
Bow River in Canmore |
Da ich mit meinem Auto ja
jetzt sehr flexibel bin, entschied ich mich gestern dazu meinen ersten
Tagestrip zu unternehmen. Den kleinen Ort Canmore im Kananaskis Country
erreichte ich in ungefähr anderthalb Stunden. Zuerst schlenderte ich ein wenig
durch die süßen Geschäfte und stattete einer unechten Touristeninformation
einen Besuch ab, wo mich der Angestellte mit voller Begeisterung über die
Wanderung informierte, die ich mir vorgenommen hatte. Insgesamt hat Canmore
Ähnlichkeiten mit Banff und doch wieder seinen ganz eigenen verspielten Flair.
Durch den erfolglosen Versuch meinen gestrigen Geocache in dem Ort zu finden,
gelang ich auch ans Ufer des schönen Bow Rivers mit Blick auf eine kleine
Insel. Dann ging es endlich auf zum Wandern zu den Grassi Lakes. Parken am Fuße
des Weges war schon einmal katastrophal und gab mir schon eindeutig zu
verstehen, dass ich nicht die einzige auf dem Trail sein sollte. So traf ich
auch auf zwei Calgarians, von denen die Frau typischer Weise auch Deutsch
sprach, da ihre Eltern aus Deutschland eingewandert sind. Bei dieser Wanderung
würde ich jedem empfehlen den Weg zu wählen, der mit „more difficult“
ausgeschildert ist, da auch dieser echt einfach zu meistern ist und man so
einen überwältigenden Blick auf Canmore und den Fluss erhält.
Ein Teddy auf Reisen genießt den Blick auf Canmore |
beeindruckende Farbwelt der Grassi Lakes |
Die Seen selber
sind auch hundert Prozent sehenswert. Das Wasser hat eine klare dunkle türkise
Farbe, die zum Ufer hin erst zu einem leuchtenden Grün und dann braun wird. Der Anblick war wirklich einzigartig. Außerdem
kann man gleich neben den beiden Seen Kletterer an einer steilen Bergwand
beobachten. Somit hat sich mein Ausflug wirklich gelohnt und mal wieder in den
Bergen zu sein, hat mir noch einmal deutlich gemacht, warum ich in Kanada
gelandet bin.
Gestern Abend war ich dann zum
Thanksgiving-Essen bei den Nachbarn eingeladen. Während Eryn und Tracie den
leckeren Truthahn vorbereitet haben, hab ich Kaylee, ihre beste Freundin Sophie
und ihren kleinen, zuckersüßen Bruder Kayden mit Fange spielen beschäftigt. Das
Essen war total gut und so habe ich einmal ein traditionelles kanadisches
Thanksgiving erlebt. Mittlerweile kommt auch ihr Hund Camper besser mit mir
klar bzw. wohl eher ich mit ihm. Durch das Triptafan-Gewürz, welches in der
Füllung des Truthahns enthalten war, hatte ich dann nachts einen sehr, sehr
guten Schlaf.
Nun sind schon dreieinhalb
Monate hier in Kanada für mich vergangen und ich erlebe immer noch fast jeden
Tag so viel Neues und Faszinierendes und für diese Möglichkeit kann man nicht
nur heute an Thanksgiving wirklich dankbar sein.
atemberaubende Aussicht vom Mount Rundle |
Jenny
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