Montag, 27. Oktober 2014

Ein Tag auf Arbeit

Dienstag, 21.10.2014 – Tag 112

Mein Führerschein ist da! Das vierte Mal hatte ich nun das erhebende Gefühl endlich  meinen Führerschein in den Händen zu halten. Mittlerweile wird die Adresse von Caren und Marc schon sehr oft als Weg genutzt, um mich zu erreichen. So habe ich gestern auch ein Paket aus der schönen Heimat von meinen lieben Eltern erhalten, bestückt mit ganz viel Schokolade, tollen Artikeln und Tickets für nächsten Sommer back in Germany… Das Resultat waren strahlende Kinder- bzw. junge Erwachsenen-Augen und ein Gefühl als hätten wir schon Weihnachten. Danke, danke, danke dafür. Ein Tag später kam dann auch gleich noch ein Brief mit mehreren Postkarten, denn ich bin ja nicht die einzige, die momentan so in der Welt umher reist.  Freude über Freude und auch ein wenig Sehnsucht nach dem Zuhause.

In der letzten Woche habe ich mir hier aber auch ganz gut die Zeit vertrieben. Neben der Arbeit, wo die Jungs vom Store schon neidisch sind, weil ich dabei Golf-Cart fahren darf und sie nicht, war ich letzte Woche sehr kulturbewusst. 

So bin ich am Donnerstag in die United Knox Church in Calgary zu einem Event vom „WordFest“ gegangen. Dort haben die beiden Autorinnen Tehreh Mafi, die ich vorher gar nicht kannte, und Veronica Roth, die die „Divergent“-Reihe geschrieben hat, sich untereinander unterhalten und ausgefragt und anschließend Fragen aus dem Publikum beantwortet. Von Veronica Roth, wegen der ich dort war, war ich wirklich überrascht Es ging mir ein wenig so wie wenn man ein gutes Buch liest und die Verfilmung dann so überhaupt nicht seiner Vorstellung entspricht. Alles, was ich bisher von ihr gesehen, über sie gelesen und in ihren Büchern von ihr gelesen hatte, entsprach so gar nicht der Person, die dann plötzlich im Miley Cyrus-Look in unmöglicher Haltung auf der Bühne saß. Teilweise wirkte sie bei dem Gespräch meiner Meinung auch wirklich unprofessionell, weil sie öfter nicht auf ihre Gesprächspartnerin eingehen konnte oder das Publikum merkte, wenn ihr Interesse nur gespielt war. 
WordFest - Tehereh Mafi & Veronica Roth
Vom Inhalt her war es jedoch sehr interessant etwas über das Leben der beiden und den Beruf der Autorin zu erfahren. So bereue ich es auf keinen Fall hingegangen zu sein. Ich weiß nur noch nicht so recht, was ich von Veronica Roth halte. Tehereh Mafi erschien hingegen ein wenig professioneller und sagte auch einige Dinge, bei denen das Publikum echt inne gehalten hat oder applaudiert hat. Besonders inspirierend empfand ich den Austausch über Zitate aus den Werken der beiden aber auch insgesamt über das Leben. „Be brave…“ Auch die Atmosphäre in der alten Kirche inmitten der modernen Gebäude in Downtwon hatte etwas Einzigartiges. 

Am Samstag ging es nach der Arbeit sofort mit der nächsten Veranstaltung weiter. Relativ spontan habe ich nämlich wieder beim Konzert des „Calgary Philharmonic Orchestras“ geholfen und diese Mal bei Weitem mehr Tombola-Tickets verkauft. Dabei habe ich nun endlich auch Veronica kennengelernt, die alle Volunteers koordiniert. Eine sehr euphorische und alles überstürzende Frau aus Lateinamerika, die mir etwas zu dominant und überschwänglich erschien. Außerdem war es echt seltsam, dass sie nur mich und nicht Caren und Marc für das Konzert angeschrieben hat, obwohl die beiden im Gegensatz zu mir schon über Jahre unzählige Male ausgeholfen haben. An diesem Abend spielte das Orchester zur Sängerin Mary Chapin Carpenter, von der ich zwar vorher auch noch nichts gehört hatte, die aber eine eindrucksvolle Stimme hat und das Publikum sehr begeistern konnte. Dafür wurde sie dann sogar mit einem „Calgary White Hat“ (dem weißen Cowboyhut als Symbol der Stadt) belohnt. Diese Konzert war also ganz anders als das zum Disney-Film und es hat mich auch sehr gut gefallen und abgesehen von Veronica bin ich an dem Abend auch noch auf einige weitere interessante Personen gestoßen. In der Bahn habe ich auf dem Rückweg deutsch Studenten der University of Calgary getroffen, die ein so schlechtes Englisch gesprochen haben, dass ich schon Gänsehaut bekommen habe. Außerdem bin ich beim Verkauf der Raffle-Tickets beispielsweise mit einer Professorin der SAIT ins Gespräch gekommen, die sehr begeistert davon war, was ich hier so in Kanada tue und dass ich mich dann noch freiwillig in Dinge wie die Konzerte mit einbringe. 

Die nette Dame hat mich einmal wieder daran erinnert, was für eine unglaubliche Chance es ist hier zu sein und, dass ich diese auch echt voll nutzen und auskosten sollte. So habe ich gestern erst einmal meine Winterreifen abgeholt und bin nun ein wenig besser für alle Vorhaben gewappnet. Die meisten Häuser der Gegend sind übrigens schon schön gruselig geschmückt, denn bald ist Halloween und danach geht auch schon die Ski-Saison los. 

Elbow-Falls im Herbst
Letztes Wochenende habe ich noch ein wenig das Herbstwetter genossen und habe so noch eine Wanderung unternommen. Zunächst habe ich mir die Elbow-Falls angeschaut und musste dort leider feststellen, dass der sogenannte „Wanderweg“ aus einem asphaltierten Weg zu einer Aussichtsplattform bestand, den ich in zehn Minuten zwei Mal auf und ab gelaufen war in der Hoffnung noch eine Abzweigung zu einem richtigen Trail zu finden, der leider nun mal nicht existierte. 
Also entschied ich mich dann den 7km langen Fullerton-Loop entlang zu wandern. Die erst Hälfte des Rundweges war ziemlich frustrierend, da es stetig bergauf ging und man eigentlich nichts außer braune Vegetation und Gray Jays (Vögel) sehen konnte. Sicher ist es dreimal schöner dort im Frühjahr oder Sommer entlang zu laufen, wenn man auch ein wenig Farbe der blühenden Pflanzen zu Gesicht bekommt.
 
Gray Jays als Ermunterung auf einem einsamen Wanderweg
Dafür war es die zweite Hälfte des Weges umso mehr wert, dort lang zu wandern. Während es ab der Mitte wieder bergab ging, hatte ich eine tolle Sicht auf das Flusstal. Allerdings war es auch ein bisschen beängstigend wie die schon mehr als schief stehenden Bäume im Wind ungemein quietschten und knarzten, als würden sie jeden Moment umkippen, während ich unter ihnen entlang laufe. Außerdem hatte ich auch ein paar Sorgen, dass mir unterwegs Wildlife über den Weg läuft, da der Trail sowas von ausgestorben war was andere Wanderer angeht und mir in den gesamten zwei Stunden nur eine einzige weitere Person begegnete.

die Belohnung des Wanderausflugs - eine wundervolle Aussicht
Nach diesem Abenteuer machte ich noch einen kurzen Stopp im Dorf Bragg Creek, wo nun wirklich rein gar nichts los ist. Das einzige, was ich dort machen konnte, was mir Vogelscheuchen anzuschauen, weil zu dieser Zeit dort das Scarecrow-Festival stattfand. Dorfleben kann ich dazu nur sagen, aber anders kenne ich das ja auch kaum von zu Hause. ;)


Freitag, 24.10.14. – Tag 115

Hier einmal main Arbeitsplatz - noch im strahlenden Sonnenschein
Es wird immer kälter, alle reden davon, dass es nun wirklich Winter wird und ich sitze im RV Park Office auf Arbeit. Bisher hat es hier nicht wieder geschneit, nur in den Bergen. Ich habe gerad so überhaupt nichts zu tun, wie üblich in den letzten beiden Stunden. Deshalb nutze ich nun mal die Zeit, um  über einen typischen Arbeitstag auf dem Campingplatz zu berichten.

Meine Schicht beginnt meist um 10:00 oder 12:30 Uhr und da die Sommer-Saison zu Ende ist, wird die Dumping-Station und der Angelteich gar nicht mehr aufgeschlossen, was mir schon einmal zehn Minuten am Morgen spart. So ist mein erster Gang in den Keller, wo ich meine Kasse zähle und mit ins Office bringe, wo ich dann hoffentlich nicht beim Aufschließen den Alarm auslöse. Dann wird der Feuerholz-Container aufgeschlossen, damit die Camper sich für ihr Lagerfeuer ausstatten können. Nachdem ich beim Convenience-Store war und alle Formblätter und Rechnungen der letzten Nacht abgeholt habe, die für den Campingplatz waren während das Office schon geschlossen hatte, starte ich meinen Arbeitstag am Schreibtisch. Ich gehe den Kram vom Laden durch, logge mich erst einmal in allen zig Systemen ein, lese alle Nachrichten, die mir die Mitarbeiter vom Vortag hinterlassen haben und bringe Ordnung an den Tag. Ich schaue mir an, wer heute alles einchecken wird und drucke eine Liste mit allen Check-Outs für den Tag, damit die Maintanace-Guys überprüfen können, dass auch wirklich alle ihre Stellplätze verlassen haben. Über den Tag beantworte ich alle Mails und Online-Reservierungen. Außerdem bin ich dafür verantwortlich, dass das Geld der Leute monatlich abgebucht wird, die ihre Trailer im Storage zu stehen haben und durch das Automatic Billing-System zahlen. Des Weiteren rufe ich alle anderen Storage-Kunden an, deren Zahlung in den nächsten beiden Tagen ausläuft, um sie daran zu erinnern zu uns zu kommen und zu zahlen. Das muss dann anschließend alles dokumentiert werden in den jeweiligen Ordnern der Kunden und in zwei Comutersystemen. Wir haben die neue Database erst vor ein paar Wochen bekommen und bis alles funktioniert, müssen wir beide verwenden. Da kommt man schnell mal durcheinander und vergisst irgendetwas. Vor allem wird man dabei natürlich ständig unterbrochen, da Kunden ins Office hereinkommen, die einchecken wollen, die auschecken, die ihren Aufenthalt oder ihren Stellplatz im Storage zahlen wollen, die länger bleiben wollen als geplant, die sich nur mal eben informieren wollen oder die sich beschweren wollen, dass sie nicht in ihre Site entweder auf dem Campingplatz oder im Storage gelangen können, weil der Platz zu klein ist oder die bösen Leute neben ihnen halb auf ihrem Platz geparkt haben. In den meisten Fällen sind die Leute wirklich einfach nur zu doof zum Einparken, aber wir tun natürlich alles, damit der Kunde dann auch einen Stellplatz bekommt, mit dem er zufrieden ist. Das muss man dann wiederum alles dokumentieren, während uns die Leute das Office einrennen, weil ihre Access-Karte für das Eingangstor mal wieder nicht funktioniert. Das kommt einmal daher, dass wir alle auch mal vergessen diese richtig zu aktivieren oder zu verlängern, auf der anderen Seite hat das Karten-System auch einen an der Klatsche und erkennt manche Karten nicht einmal mehr. Meist passiert dies alles auf einmal und dann klingelt noch das Telefon, man muss Reservierungen aufnehmen und zwischen den Campern und dem Management des Parks die Kommunikation bezüglich des Internets übernehmen, das ich eigentlich gar nicht als solches bezeichnen würde, weil es einfach mal nicht funktioniert. Achja und bei welchem Storage-Kunde in welchem System war ich jetzt noch einmal gerade abgestorben? Da aber meist all diese Dinge auf einmal kommen, hat man in der Zwischenzeit auch oft einfach gar nichts zu tun. Tagsüber kann man dann die Gelegenheit nutzen, im Storage zu überprüfen, ob wirklich alle so schlimm geparkt haben. Heute bin ich in der Kälte über den Platz gelaufen, um an ungefähr 60 Trailer-Türen zu klopfen und das neue Infoblatt mit der Information, dass das Internet immer noch nicht wirklich funktioniert, auszuteilen. Als Highlight des Tages haben Mary, die im Raum nebenan sitzt und sich mit den Gehältern der Mitarbeiter und dem Verkauf der Wohnwagen-Utensilien beschäftigt (den wir im Office übrigens auch noch übernehmen), Bonnie als meine Chefin und ich diese Woche damit begonnen, eine Teatime-Pause mit Donuts einmal am Tag einzulegen. So ist jeder Tag immer ein wenig chaotisch und es sind die verschiedensten Dinge zu tun. Darum habe ich mich an meinem ersten Arbeitstag hier auch so überhaupt nicht zurechtgefunden. Wenn man allerdings etwas eingearbeitet ist, bekommt man schon einen recht guten Überblick und mit einer Zettelwirtschaft á la Bonnie und Jenny klappt das schon. In den letzten zwei bis drei Stunden am Abend hat man dann allerdings, wie heute, überhaupt nichts mehr zu tun. Vielleich kommt noch ein Kunde zwei Minuten bevor man das Office schließen und gehen darf hinein, nachdem man mehrere Stunden lang niemanden gesehen hat. Vielleicht kommt auch noch Tristan vorbei, um sein Geld zu wechseln, nur haben wir nun gar keine Geldbox mehr. So bereitet man alle Check-In-Packages für den nächsten Tag vor und packt alles zusammen, was der Store am späten Abend und frühen Morgen, wenn wir noch nicht geöffnet haben, wissen muss. Trotzdem bleibt immer noch genügend Zeit um Reiseplanungen zu schmieden, Postkarten zu schreiben, interessante Backrezepte herauszusuchen, Blogs zu lesen bzw. selber zu schreiben. Wenn es dann 20:00 Uhr ist, darf man den Feuerholz-Container wieder schließen, sich überall ausloggen, seine sieben Sachen packen, den Alarm setzen und abschließen. Während man dann wieder im Keller die Kasse zählt und alles Wichtige im Laden abgibt, noch ein nettes Schwätzchen mit den Mitarbeitern dort hält, nach Hause fährt und zehn Minuten lang was auch immer macht, wird man sogar noch bis halb neun bezahlt für den Fall, dass jemand anruft und kurz nach offizieller Öffnungszeit eincheckt oder jemand um acht Uhr herein kommt und ein mega großes Problem hat, das eben länger braucht um gelöst zu werden, was eigentlich beides fast nie vorkommt. Dafür fängt man, wenn man die erste im Office ist, auch eine viertel Stunde vor Schichtbeginn an, um vorbereitet zu sein, wenn die ersten Kunden kommen. So läuft hier also ein typischer Arbeitstag ab.

Mein Fortbewegungsmittel während der Arbeit
Vorgestern war das Ganze allerdings noch dreimal chaotischer. Schon auf meinem Weg zurück vom Cachen zum Haus vor der Arbeit sind alle drei Ampeln ausgefallen und es war echt nicht lustig an so großen Kreuzungen irgendwie durchzukommen. Auch in Sunset war der Strom ausgefallen und auf der Arbeit war es nicht anders. Zum Glück war fast alles wieder normal, als meine Schicht begann, allerdings funktionierte die POS, mit der ich meine Kasse bediene nicht mehr, auch nicht mehr als der Strom wieder da war. Also hockte Greg die ganze Zeit auf dem Boden des Offices, um sie zu repariere, was er schließlich auch schaffte. Das hat allerdings so einige Zeit gedauert, in der ich alle Beträge wegen der Steuern selbst ausrechnen, das Geld sammeln und alles wieder extra dokumentieren musste, damit ich es später noch einmal alles eintippen konnte. Dazu kam dann natürlich noch der alltägliche, schon beschriebene Wahnsinn und irgendwann bin ich dann noch volle Kanne mit dem Kopf gegen das Regal gehauen, sodass Bonnie und ich den Tag einfach komplett abhaken konnten. 

Die Arbeit hält einen also ganz schön auf Trapp, aber gerade dadurch verbessert sich auch mein Englisch. Nun ist meine hektische Schicht fast vorbei und ich kann schon damit anfangen zusammen zu räumen. Morgen geht dann alles wieder von vorne los. Dabei ist es aber auch echt sehenswert, wie die Dauercamper sich für den Winter in ihrem Wohnwagen gemütlich und häuslich eingerichtet haben. Einige haben sich sogar eine kleine Terasse oder Veranda und einen extra Eingang mit kleinem Flur vor ihr mobiles Heim gebaut und sich ihren Garten super schön gestaltet. Trotzdem würde ich nie auf die Idee kommen den Winter darin zu verbringen, zumal heute Nacht wieder einmal ein paar Schläuche fürs Wasser und Abwasser eingefroren sind.


Sonntag, 26.10.2014 – Tag 117

Und da ist der Schnee. Vor einer Woche bin ich noch nur im Shirt herumgelaufen. Ein Hoch auf ein Auto. Mit dem Fahrrad zur Arbeit hätte ich heute viel Freude gehabt. Dabei fällt mir ein, dass ich eine der wichtigsten Aufgaben in meinem Arbeitsalltag ja noch vergessen habe. Einmal am Tag muss ich nämlich über den gesamten Campingplatz laufen oder mit dem Golf-Cart fahren und den Stromverbrauch der Dauercamper ablesen. So kommt man wenigstens einmal am Tag raus, jedoch ist das bei dem extremen Wind, der hier im Moment herrscht auch nicht immer eine Freude.

Unterwegs im Wilden Westen :D

Jenny

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