Sonntag, 21. Juli 2013

"Wie ein gutes Buch"

Kanada Teil 5 / 16.07. – 21.07.2013

Immer wieder etwas Neues, Spannendes, Überwältigendes

Es ist immer so viel los, dass ich überhaupt nicht zum Schreiben komme. Frühs brauchen wir eine Stunde zur Arbeit, dann geht die Schicht jeden Tag acht Stunden inklusive Mittagspause und anschließend fahren wir wieder eine Stunde zurück nach Cochrane.
Calgary Tower - mein Arbeitsplatz
Mittlerweile ist die Arbeit schon Alltag geworden. Letzten Dienstag sind Caren und Ann zum Abschied einer ehemaligen Kollegin gegangen. Deshalb haben Debbie und ich das Office für diese Zeit übernommen. Allerdings kamen in den paar Stunden kaum Kunden und so beschäftigten wir uns mit Sudoku-Rätseln. In meiner Mittagspause war ich dann erstmals wirklich alleine in der Stadt unterwegs. Jedoch habe ich währenddessen festgestellt, dass man Jenny nicht alleine lassen kann, weil sie sonst zu schnell in Versuchung kommt sich Schokolade zu kaufen. Dabei hatte ich mich bisher in der ganzen Zeit hier total zurückgehalten was dies betrifft… =) Abends beschäftigten Caren und ich uns mit zwei Dot-to-Dot – Heften, bei denen Bilder durch das Verbinden von Punkten entstehen, was man von früher aus Magazinen kennt, wo man immer schon vorher erkannt hatte, was dabei herauskommen wird. Allerdings ist dies ein den Heften etwas anders, da die einzelnen Bilder bis zu 1400 Punkte haben… Dienstag war übrigens auch der Tag des Essens. Nach der Schokolade bin ich nämlich (wie auch immer) dazu gekommen, mit großer Überwindung zum ersten Mal in meinem Leben ein Stück Sushi zu probieren und ich musste es immerhin nicht wieder ausspucken. Dafür gab es anschließend total leckere Steaks zum Abendbrot.
Am nächsten Tag besuchte uns Carens Chefin Sherrie noch einmal auf der Arbeit, bevor sie in den Urlaub fliegt. Außerdem kamen am Mittwoch übermäßig viele Deutsch und von einem Herrn wurde ich für mein sehr gutes Deutsch gelobt. ^^ Eine andere interessante Situation war es, als sich zwei Deutsche untereinander darüber aufgeregt haben, dass sie nur enttäuschende Antworten von mir erhalten hatten. Durch die Flut sind eben noch einige Sehenswürdigkeiten geschlossen. Jedoch sollte jeder einzelne Besucher, meiner Meinung nach, froh sein, dass so viele Attraktionen in so kurzer Zeit wieder offen sind. Jedenfalls beschwerte sich das Paar darüber auf Deutsch ohne zu wissen, dass ich sie verstehe. Sehr lustig! Eine andere deutsche Touristin beklagte sich über die Tatsache, dass keine Broschüren auf Deutsch zur Verfügung stehen. Demzufolge hatte ich an diesem Tag sichtlich Spaß daran, meine eigenen Landsleute und deren Kultur zu beobachten. In der Mittagspause passierte (einmal mehr) ein zufälliges grandioses Ereignis. Caren und ich waren gerade auf dem Weg zum Food-Court, als wir  dem Concierge  Jeff vom angesehenen Hyatt-Hotel direkt in die Arme liefen, den Caren natürlich privat sehr gut kannte. Dadurch bekam ich spontan eine Privatführung durch das mega große und beeindruckende Hotel. Danach war ich verständlicher Wiese total aufgedreht!! In diesem Zustand war es dann Carens Aufgabe, meine schlechte Subway-Erfahrung aus Deutschland wettzumachen und so aßen wir ein wirklich sehr leckeres Sandwich und ein gratis Cookie steigerte meine Begeisterung natürlich ein weiteres Stückchen. Da Caren etwas erledigt von Zahnschmerzen war, verlief der Abend dann eher ruhig.
Am darauffolgenden Tag stattete sie deshalb gleich einen Besuch beim Zahnarzt ab. Somit übernahm ich mit Mikki das Center. Da ich als Praktikantin es nicht alleine leiten kann und darf, machten wir ausnahmsweise zeitgleich Pause und so war der Counter eine Stunde lang unbesetzt. In dieser Zeit machte ich eine kleine City-Tour, wie ich sie den Touristen dauernd empfehle. Als ich wieder im Tower ankam saßen doch tatsächlich zwei Frauen hinter dem Counter, wo sie definitiv keinen Zugang zu haben sollten. Demnach fragte ich, ob ich ihnen in irgendeiner Weise helfen könne. Doch die beiden wollten nur in Ruhe ihre Postkarten schreiben und hatten sich dafür schon selbst ganz gut hinter unserem Beratungstisch eingerichtet. Ich erklärte ihnen in äußerst höflicher und geduldiger Form, dass dies ein Office sei und ihnen nicht zustehe. Darauf machten die Frauen allerdings keine Anstalten den Platz zu räumen, bis ich sie in gleicher Höflichkeit und Geduld (innerlich allerdings langsam fuchsteufelswild) darum bat, sich doch zur öffentlichen Sitzecke zu begeben. Daraufhin meinte eine der beiden zur anderen auf Deutsch (!!!): „Du, die will uns hier weg haben.“ und das in einem vollkommen aggressiven und verärgerten Ton. Weil ich sie aber auf Englisch angesprochen hatte, hatten die beiden natürlich nicht die geringste Ahnung, dass ich sie verstanden hatte und feierte innerlich meinen Triumph, als sie endlich aufstanden und verschwanden. Zwar hätte ich eigentlich bei dieser Dreistigkeit noch etwas Nettes auf Deutsch erwidern müssen, doch so schnell war ich leider nicht in der Lage zu reagieren und außerdem bin ich hier auch nur die Praktikantin. Dafür waren meine Kolleginnen furchtbar stolz darauf, wie ich mit der Situation umgegangen bin und wir haben beschlossen, dass gleich die Security gerufen wird, wenn so etwas nochmals geschehen sollte. Zumindest hatte ich  nach diesem Vorfall noch eine süße Omi zur Beratung, die total begeistert davon erzählte, dass sie in ihrem Deutschland-Urlaub viele Leute mit guten Englischkenntnissen getroffen hatte. Sie war damals nämlich nicht davon ausgegangen, dass alle Englisch sprechen. Ganz anders ticken da die Touristen aus dem frankokanadischen Teil des Landes. Denn die meisten von denen erwarten, dass in Calgary jeder auch super französisch spricht und werden super verärgert, wenn gerade die eine Kollegin, die dazu in der Lage ist, nicht da ist. Und so kann man in einer Touristen-Information sehr gut die Gewohn- und Eigenheiten der verschiedenen Kulturen beobachten. Auch lustig war es, als der Däne, der für ein Work & Travel Jahr hier ist und den vorherigen Tag schon das Office aufgesucht hatte, uns heute wieder besucht hat.
Da Caren tagsüber ja beim Zahnarzt und ich ohne sie auf der Arbeit war, bin ich wieder alleine zurückgefahren und wurde dann von der Bahnstation abgeholt. Zum Abendessen haben wir uns leckere vietnamesische Suppe geholt und kamen endlich mal dazu, The Hobbit zu Ende und Music and Lyrics komplett zu gucken. So haben wir also auch den Donnerstag schön ausklingen lassen.
Am Freitag arbeitete auch wieder Caren normal. Morgens war total viel los und ich hatte die erste drei Stunden fast ununterbrochen mit Kunden zu tun. Gegen Nachmittag wurde es jedoch viel ruhiger. In unserer Pause wollten wir nur im Bistro Mittag essen, wobei wir geradewegs in eine Mitarbeiterin  des Glenbow-Museums gerannt sind. Da Caren ihr natürlich bekannt war und ich wieder sofort als Praktikantin vorgestellt wurde, bekamen wir gleich freien Eintritt für die Ausstellungen.
Das Glenbow zeigt Geschichte und Kultur vor allem der Provinz Alberta und der Stadt Calgary und ich spreche annähernd in jeder zweiten Beratung darüber. Deshalb war es auch sehr hilfreich, es selbst einmal besucht zu haben, denn so kann ich jetzt viel besser aus eigener Erfahrung darüber reden. Zudem besuchten wir noch einmal kurz das Hyatt-Hotel, um ein paar Fotos von der Lobby zu machen. Dabei ertönte ganz leise „All the little Lights“ von Passenger im Foyer. Nach unserer acht Stunden Schicht zogen Caren und ich uns Sportsachen an und liefen zu Fuß den Calgary Tower hoch. Katie, eine Mitarbeiterin des Towers begleitete uns. Die Treppen sind allerdings nicht öffentlich zugänglich. Also habe ich einmal mehr etwas nahezu Unmögliches in meinen letzten Sommerferien getan. (Manchmal braucht man eben nur die richtigen Beziehungen…^^) An den Innenwänden sind überall Bilder gemalt worden. Wenn man sich auf die schönen Gemälde konzentriert, fällt einem das Treppensteigen gleich viel leichter. Caren ist durch ihre Zahnschmerzen nur bis ca. zur Hälfte mitgekommen. Ich bin alle 802 Stufen in zwölf Minuten hochgelaufen und war somit noch einmal auf der Aussichtsplattform des Towers. Wenn die Mitarbeiter normalerweise das Tower-Gebäude besteigen, vermeiden sie es, die öffentliche Plattform zu betreten, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sonst würden wahrscheinlich alle Touristen erst einmal Interesse zeigen. Irgendwie ist es schon echt genial, nicht als Tourist hier zu sein, sondern vier Wochen lang waschechten kanadischen Alltag mitzuerleben. Allerdings war ich am Ende des Tages schon ganz schön geschafft und müde, während Caren, Marc und ich abends noch bei anderen Einwohnern ihrer Straße zum Plausch saßen.
Gestern konnte ich dafür nicht einmal ausschlafen. Trotzdem war ich relativ wach, als mein Wecker kurz nach 8:00 Uhr klingelte. Nach dem Frühstück fuhren wir zu dritt ungefähr drei Stunden mit dem Auto und trafen dabei mitten auf dem Highway zufällig Ann in ihrem Auto. Nachdem ich auf der Hinfahrt schön am Blog geschrieben habe, kamen wir irgendwann am Head-Smashed-In Buffalo Jump an. Diese World Heritage Site besteht aus einer Felsenklippe, wo die Indianer vor 6000 Jahren anfingen, Bisons hinunterzujagen und anschließend auszunehmen. Mitte des 19. Jahrhunderts geschah dies dann in ausufernden Maßen, was fast bis zur Ausrottung der Tiere geführt hatte. Wir besuchten das sehr anschaulich gestaltete Informationscenter inklusive eines faszinierenden Filmes und wanderten anschließend zur Klippe hinauf.
Die Hügel darunter, auf welchen wir gleichermaßen laufen konnten, sind genausgenommen angehäufte und überwachsene Büffel-Knochen. Es war sehr surreal zu wissen, dass vor ein paar Jahrhunderten unzählige Tiere den Tod durch diese Klippe gefunden hatten, an der man gerade selbst steht. Eigentlich wollten wir anschließend wieder zurückfahren, doch dann entschieden wir uns für einen kurzen Umweg zum Turtle Mountain. „Ein großer halber Berg. Die andere Hälfte liegt schon unten.“ (Zitat von Marc) Um es etwas besser auszudrücken, hat dieser Berg vor 110 Jahren den Ort Frank und mit ihm 92 Leute innerhalb von 90 Sekunden mit einer Geschwindigkeit von 112 km/h verschüttet.
Daher stammt auch der Name Frank Slide. Das Donnern des herunterrutschenden Berges war bis zum 200 km Luftlinie entfernten Cochrane zu hören. Die Trümmer des Berges liegen bis heute in einer Fläche von 3 km2 vor dem Berg herum. Auch dort besuchten Marc, Caren und ich das Informationscenter mit einem echt ergreifenden Film und wir konnten sogar durch die Trümmer über dem begrabenen Ort laufen. Nach diesem interessanten, jedoch auch anstrengenden Ausflug (besonders, wenn man den Tag davor einmal den kompletten Tower hoch und wieder herunter gelaufen ist), fuhren wir dann etwas später als erwartet zurück. Die Rückfahrt über schrieb ich weiter an diesem Blog-Eintrag. Die meiste Zeit verging aber durch großes Gelächter, obwohl ich nicht mehr weiß, worüber. :D Wieder zu Hause bei Caren und Marc hatte ich dann einen übermäßig großen Hunger und aß meine wirklich sättigende Suppe vom Donnerstag. Anschließend lernte ich, wie unnormal meine Gasteltern hier sein können, indem sie anfingen mir ein Privatkonzert aus einem zweistimmigen Zweimannchor und Klavierspielen gaben.
Heute Morgen kam ich dann endlich mal wieder dazu mit meinen Eltern zu skypen, da wir den Tag ganz ruhig angehen, im Gegensatz zu den bisherigen 17 Tagen, die ich mittlerweile schon hier verbracht habe.  

Jenny

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